Baha Taher

Baha Taher Khalati Safiya wa ad-deir

Khalati Safiya wa ad-deir

Baha Taher

Dar Al-Adab
Sprache: Arabisch
1. Auflage (1995)
Paperback, 141 Seiten
ISBN 9789953890081
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Tante Safiya und das Kloster. Schauplatz ist ein Dorf in der Nähe von Luxor während der sechziger Jahre, zu einer Zeit, als das Zusammenleben zwischen Muslimen und Christen eine Selbstverständlichkeit war. Baha Taher erzählt - aus der Sicht eines Jungen, der in seine hübsche - Tante - verliebt ist - die Geschichte einer bizarren Leidenschaft einfühlsam, spannend und und, trotz aller Tragik, mitunter witzig. Bis zum bitteren Ende Ein Roman des ägypters Baha Taher Schlicht und rein der Ton süsser Trauer, der Glockenklang der Erinnerung an Kindheitstage auf dem Dorf, das Jasminparfum der Tante und eine unerhörte Begebenheit: Baha Taher träumt vom Dorf, aus dem wir alle stammen, ein Kind nimmt uns bei der Hand, das Dorf könnte Karnak heissen, er beschwört es, bereits in Kairo geboren, nach Familiensagen, schickt im fernen Genf, wo er bis 1995 für die Uno übersetzte, einen Knaben zurück in die Zeit, als noch keine Touristen kamen. Im Dorf ist jeder mit jedem verwandt, Cousin und Cousine, Onkel und Tante, die Gemeinschaft schliesst keinen aus, nicht das koptische Kloster und nicht den verwirrten Pater Bischai, dem die Mutter zu Festtagen Gebäck zukommen lässt. Und es begab sich, dass der Falsche um die Schönste im Dorf freite, der reiche alte Konsul-Bey um Safîia, die sich nach seinem Ziehsohn Harbi verzehrte. Liebe gegen arrangierte Ehe, denkt man, aber halt, Safîia hatte die Wahl und nahm den Konsul nur, weil Harbi nicht um sie freite. Und verliebt sich in ihren Mann. Das ist so unerhört nicht. Auch nicht das Gerücht nach der Geburt des ersten Sohns: Harbi habe geschworen, ihn umzubringen, des Erbes wegen. Wer das Dorf kennt, kennt seine Niedertracht. Unerhört ist, wie der Bey den Neidern aufs Wort glaubt und sich in einen Tobenden verwandelt. Eine Tragödie bricht mit ungeheurer Wucht über die Menschen herein. Entblössen, foltern, am Rücken häuten lässt der«Vater»den noch immer ergebenen Sohn, der um den Tod aus seiner Hand bettelt. Das gipfelt im Schuss, der den Bey in Notwehr tötet. Safîia schwört Rache, kennt nur noch eine Sucht: Der Sohn soll den Mörder des Vaters töten. Unerbittlich schreitet diese geradezu klassische Novelle voran. Das Herz pocht voll Mitleid bei jedem Hieb, der die Abgründe enger Gemeinschaft und verletzter Seelen enthüllt, aus dem nachrevolutionär milden Bey die vorrevolutionäre Gewalt hervorlockt und die Familie des kindlichen Erzählers um der guten, bösen Tante Safîia willen zerrüttet. Noch einmal zügelt Taher das Tempo, hegt Inseln der zärtlichen Menschlichkeit, das Kloster wird zum Asyl des entlassenen Zuchthäuslers, Pater Bischai und eine Räuberbande sind seine Schutzengel. Das Ende verraten wäre ein Verbrechen, darum nur dies: Es schmerzt und rührt zu Tränen tiefen Mitgefühls. Manches ist noch hineingewoben in den Abschied von Menschen, liebenden und hassenden, und wenn dann auch Pater Bischai das Kloster verlassen muss, weil der neue Abt den Verwirrten in seiner Gemeinschaft nicht mehr dulden mag, wird daraus der Abschied von einer ganzen Epoche der Menschlichkeit, der Mit-Menschlichkeit. Fehlbar war sie, gewiss, und gebrechlich - aber sie hätte Onkel Bischai nie in eine Klinik abgeschoben, um den Weg frei zu machen für Touristen auf der Pirsch nach Kunstschätzen im Kloster. So endet das Buch ganz leise auf einem Ton reiner Wehmut:«Ich frage mich. . ach, ich frage mich so vieles. »Und plötzlich weiss man, woran dieses Werk erinnert in seinen schwebenden Stimmungen, den wilden Leidenschaften in geschlossener Gesellschaft, dramatischen Gewaltausbrüchen und tragischen Verkettungen des Leids: Es ist Carson McCullers «Ballade vom traurigen Café». Baha Taher hat ein ebenbürtiges Juwel aus dem Süden Ägyptens geschaffen. (Neue Zürcher Zeitung).